22. November 2010: Rasha Abbas und Hannes Bajohr im Gespräch bei den Literaturtagen des ZfL: Nachbarschaft, Literaturhaus Berlin, 15 Uhr

Literaturtage des ZfL

22.11.2019 – 23.11.2019

Nachbarschaft

Ort: Literaturhaus Berlin, Fasanenstr. 23, 10719 Berlin
Kontakt: Hanna Hamel

Niemand entkommt der Nachbarschaft. Gute Nachbarschaft will gelernt sein und kostet Mühe. Die Anstrengungen reichen von der Wahl des richtigen Kiezes über die Hilfe beim Umzug bis zum Austausch von Werkzeug und Kuchen. Während früher der direkte Kontakt im Treppenhaus unumgänglich war, versprechen heute Onlineplattformen, Nachbarschaftshilfe passgenau abrufbar zu machen. Gute Nachbarschaft bedeutet schließlich auch, sich im eigenen Alltag ungestört fühlen zu dürfen.

Wo sich Tag für Tag die Türen zwischen Nachbarn schließen, erwacht zuverlässig die Neugier der Literatur. Sie beobachtet die Beobachterin, die zu häufig am Fenster steht und folgt dem Spaziergänger, der vom Licht fremder Wohnungen magisch angezogen wird. Sie rückt Nachbarschaftsbeziehungen abseits des Alltags in den Blick und widmet sich den Befremdlichkeiten und der Fremdheit, die Teil jeder Begegnung unter Nachbarn sind.

Die Literaturtage des ZfL folgen literarischen Erkundungen der Nachbarschaft. Gerade in Berlin sind Fragen des Wohnens und Anwohnens nicht erst mit der fortschreitenden Gentrifizierung tagespolitisches Thema. Vielmehr reichen sie weit zurück in die Geschichte der geteilten Stadt und bis zu den selbstvergessenen Szenerien des Flaneurs, der ziellos und zerstreut den Kiez erkundet. Die Gegenwartsliteratur vermisst alte Stereotype und lotet neue Herausforderungen des Zusammenlebens in einer diversen, pluralistischen Gesellschaft aus. Der Stimmen- und Sprachenvielfalt etwa, die in einer Gemeinschaft von Mitgliedern unterschiedlichster Herkünfte entstehen, gilt ein besonderes Interesse der aktuellen Literatur. Diese wirft aber gerne auch einen Blick über den Kiez oder die Stadt hinaus und betrachtet Versprechen wie Gefahren der politischen Nachbarschaft. Was heißt es etwa, wenn Länder wie Deutschland und Frankreich sich als Nachbarn begreifen und welches Nachbarschaftsverständnis entsteht zwischen einzelnen Ländern in einem zusehends sich abschottenden Europa? Die Literatur kann diese Frage aufwerfen, bis es weh tut, sie vermag aber auch Nachbarschaft an und zwischen Orten zu entdecken, wo wir sie nicht erwartet oder auch nur für möglich gehalten hätten.

Die Literaturtage des ZfL werden gemeinsam veranstaltet vom Literaturhaus Berlin und dem ZfL, in diesem Jahr in Kooperation mit dem Projekt Nachbarschaften in der Berliner Gegenwartsliteratur.